Omensight (PS4) im Test – Weltenrettung mit freier Zeiteinteilung

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Das kanadische Studio Spearhead Games hat mit seinem Erstling Stories: The Path of Destinies im Jahr 2016 ein außergewöhnliches Konzept vorgelegt: Ein Held, eine Welt, aber 24 Geschichten, die man auf Basis seiner eigenen Entscheidungen als Spieler frei schreiben konnte. Keinesfalls kehrt das Entwicklerteam mit seinem zweiten Titel Omensight zur öden Standardkost zurück – stattdessen darf nun mit ähnlichem Konzept eine Welt gerettet und ein Mord aufgeklärt werden. Ob das ebenso überzeugt wie der Trip mit Reynardo, verrät unser Test.

Außergewöhnliche Ermittlungen

In Omensight ist von Anfang an Spearheads Handschrift zu erkennen, und das ist wirklich ein gutes Zeichen. Als Spieler von Stories fühlt sich Vieles durchaus vertraut an – obwohl das Konzept doch in wesentlichen Teilen abgewandelt wurde. Dieses Mal schlüpfen wir in die Rolle der mysteriösen und stummen Figur Harbinger, die nur in der Welt Urralia auftaucht, wenn die dunkle Macht Voden sich einmal wieder aus ihrem Gefängnis befreit hat und Urralia mit dem Untergang droht. Genau das ist geschehen – genauer gesagt ist Urralia bereits zerstört werden. Es liegt nun an euch, den letzten Tag dieser Welt wieder und wieder zu spielen, bis ihr genügend Hinweise zusammenhabt, um den Untergang zu verhindern.

Im Erstlingswerk der Entwickler konnte man bis zu 24 Stunden verschiedene Geschichten schreiben, wobei im Grunde nur fünf wirklich relevant waren. Genau aus diesem Grund hat man sich wohl entschieden, das alles etwas zu entschlacken: Die Rettung in Urralias ist in rund zehn Tagen möglich, allerdings kann man trotzdem, vor allem, wenn man nicht auf die Hinweise achtet oder des Rätsels Lösung noch etwas hinausschieben möchte, wesentlich mehr Tage mit dem Harbinger nachspielen und enthält so unter Umständen auch weitere Hinweise, die aber nicht unbedingt nötig sind, um das Rätsel rund um den Mord an der Priesterin Vera und den scheinbar damit einhergehenden Weltuntergang zu lösen – wie also ein echter Ermittler, der sich vielleicht nicht auf die richtigen Hinweise stützt und/oder Hinweise sammelt, die er gar nicht braucht.

Omensight verfolgt ein interessantes Konzept von Schwierigkeitsgraden, wie es mir bislang noch nicht untergekommen ist. Man kann auf zwei Ebenen entscheiden, wie schwierig das Erlebnis sein soll: Die Schwierigkeit der Kämpfe und die des Rätsels werden unabhängig voneinander bestimmt. Somit könnt ihr euch als Meisterdetektiv versuchen, und trotzdem einfache Kämpfe haben, oder ein wahrer Krieger sein und mit einem einfachen Rätsel arbeiten. Die Schwierigkeit der Kämpfe brauche ich vermutlich nicht zu erklären – die Schwierigkeit des Rätsels ergibt sich dadurch, wie viele Hinweise euch das Spiel gibt. Wählt ihr den schwierigen Modus, werden alle Hinweise einfach deaktiviert, d.h. es steht euch keine Glaskugel und keine Sammlung aller bisherigen Erkenntnisse zur Verfügung. Ihr nehmt nur das mit, was ihr während der Missionen erfahrt und was euch dort erzählt wird. Am besten nehmt ihr Stift und Papier oder ein Smartphone zur Hand und macht euch ein paar Notizen!

Als Harbinger erwartet euch eine große Mission. Die Rettung Urralias!

Erkunden und Kämpfe

Die Ermittlungen, um den Tod Veras und das Ende Urralias aufzuklären, finden im Wesentlichen außerhalb der eigentlichen Level statt – nämlich dadurch, dass ihr die Entscheidung trefft, mit welchem Gefährten ihr als nächstes spielt. Der Harbinger kann nämlich mit insgesamt vier Figuren Seelenverbindungen eingehen und somit den letzten Tag derjenigen Figur als Begleiter mitverfolgen – so oft, wie es eben nötig ist. Somit wählt ihr an jedem Spieltag aufs Neue, mit wem ihr heute unterwegs sein möchtet. Da Harbinger nicht spricht und nicht aktiv Einfluss auf das Geschehen nimmt, gibt es drei Omensights zu verdienen, also Schlüsselmomente bei den Ermittlungen, die man an den richtigen Stellen den Figuren präsentieren kann, um ihr Verhalten zu beeinflussen. Zeigt ihr ein Omensight, wissen alle durch die Macht des Harbingers, dass ihr die Wahrheit gezeigt habt. Doch Achtung: Manchmal müsst ihr entscheiden, ob ein Omensight oder Gewalt die bessere Lösung ist.

Im generellen Spielablauf präsentiert sich Omensight als Hack & Slay mit Erkundungsaspekten. Es erwarten euch rasante und teils auch anspruchsvolle Kämpfe, abwechslungsreiche Bosskämpfe und eine Spielwelt, die sich dank verdienter Siegel immer weiter öffnet und zur Erkundung zur Verfügung steht. Mit besiegten Gegnern sammelt man Erfahrungspunkte zum Levelaufstieg und dadurch zum Erlernen neuer Fertigkeiten, mittels verdienten „Ambers“ könnt ihr diese zudem verbessern bzw. aufbauen. In Relation zum Umfang von Omensight ist damit für eine umfassende Charakterentwicklung gesorgt, die allerdings nur eingeschränkt individuelle Ausprägungen erlaubt – außerdem ist es für die Kämpfe auf Dauer unbedingt nötig, alle Fertigkeiten des Harbingers einzusetzen.

Was das Konzept mit sich bringt, sind Wiederholungen im Ablauf und bei den Gebieten. Ersteres hat Sperhead Games gut gelöst: Ist der Ablauf eines Tages mit einem der vier Gefährten wirklich absolut identisch, weil man beispielsweise nur einen neuen Hinweis bekommen hat und jetzt ein Tor zu öffnen ist, was vorher versperrt war, lässt sich der Großteil des Tages (optional) einfach überspringen und ihr setzt beim „entscheidenden Moment“ ein – also fast, denn ein wenig müsst ihr dennoch noch selbst spielen. Nicht umgehen kann man aber, dass ihr immer wieder durch die gleichen Gebiete lauft. Diese ändern sich zwar optisch ein wenig, weil der Void immer mehr von der Welt einnimmt, allerdings nicht spielerisch – sogar die Gegnertruppen sind meist identisch. Gegen Ende des Spieles habe ich daher das eine oder andere Mal wirklich gehofft, diesen oder jenen Gang oder Platz jetzt das letzte Mal zu sehen.

Die Bosskämpfe sind abwechslungsreich und vielfältig.

Licht und Schatten bei der Technik

Das ist schade, da die Spielwelt von Omensight grundsätzlich wunderschön ist und vor Atmosphäre nur so strotzt – und zudem, weil es ein außergewöhnliches Spielgefühl ist, dem eben noch Verbündeten am nächsten Spieltag als Widersacher gegenüberzustehen und ihn dann zu beseitigen. Verursacht wird das Problem aber auch dadurch, dass es – voll und ganz storybedingt – nur fünf verschiedene Schauplätze gibt. Mit einer größeren Auswahl hätte man dem Gefühl, immer wieder das gleiche zu sehen, einfach und effizient entgegenwirken können.

Technisch teilt sich Omensight die Stärken und Schwächen mit dem Erstling der Entwickler – während die Unreal Engine auch grafisch eine beeindruckende Welt auf den Bildschirm zaubert, die mit vielen Effekten aufwartet, sind vor allem die Performanceprobleme teilweise ärgerlich. Framerateeinbrüche sind auf meiner Standard-PS4 an vielen Stellen deutlich spürbar. Auch, dass ich gegen Ende des Spieles zwei Mal neu laden musste, weil ein Skript nicht auslöste oder sich das Spiel im ewigen Ladebildschirm festsetzte, kenne ich schon aus Stories. Das kann vorkommen, ist aber angesichts des Umfangs von ungefähr sechs bis acht Stunden Spielzeit doch eher ärgerlich.

Selbiges gilt für das manchmal etwas hakelige Kampfsystem, welches grundsätzlich viele taktische Möglichkeiten für stylische Kämpfe bietet, manches Mal aber Aktionen nicht richtig auslöst, vielleicht auch nur, weil einem die automatische Kamerasteuerung einen Strich durch die Rechnung macht, die es nicht immer schafft, die richtigen Gegner adäquat einzufangen. Davon abgesehen machen vor allem die vielfältigen Bosskämpfe dennoch Spaß und bringen eine schöne Portion Anspruch ins Spiel. Abgerundet wird dies von einem gelungenen Soundtrack, der die richtigen Szenen und die atmosphärische Spielwelt gebührend untermalt.

Viele Kulissen in der Spielwelt sind einfach wunderschön.

Fazit: Ermittlungen mit Ausbaupotential

Dass man den Großteil der zur Verfügung stehenden Geschichten nicht mehr ’sinnlos‘ erzählt, ist konzeptionell für Spearhead Games ein Fortschritt gegenüber des hauseigenen Erstlingswerks. Im Hinblick auf den Umfang und den Wiederspielwert von Omensight bedeutet es aber gleichzeitig auch einige Schritte zurück. So hat mich die Ermittlung zur Rettung Urralias ca. sechs Stunden wunderbar unterhalten und ich wünsche mir, mehr Spiele dieser Art mit einer ausgereiften Story, einer wunderbaren Spielwelt, toller Atmosphäre und sogar einem einzigartigen Schwierigkeitsgradkonzept zu spielen, allerdings hätte ich mir persönlich nach dem exzellenten Stories eine noch epischere Erfahrung der Entwickler gewünscht, die länger unterhält und die nicht trotz der kurzen Spielzeit eher negativ durch die (konzeptionell bedingten) Wiederholungen auffällt. Omensight ist ein toller Titel für ein Wochenende – und auch eine leicht verdiente Platintrophäe – der aber auch durch die technischen Unzulänglichkeiten noch deutlich Luft nach oben bietet.

Wertung

Technik: 78
Grafik: 77
Sound: 85
Umfang: 71
Gameplay: 83
KI: 76

Spielspaß: 80

  • Story: Omensight erzählt eine spannende Story voller Verstrickungen und Überraschungen, die ihr selbst lenkt, weil ihr Hinweise verarbeiten und die richtigen Schlussfolgerungen treffen müsst.
  • Frustfaktor: Stellenweise vorhanden – die anspruchsvolleren Kämpfe sind eine gute Sache, werden aber manchmal durch technische Schwierigkeiten oder die Kamera etwas frustrierend.
  • Wiederspielwert: Eher gering – nach dem Aufklären des Rätsels kann man noch verbleibende Hinweise sammeln, unabhängig davon ist aber auch die Platintrophäe dann schon fast verdient.
  • Design/Stil: Sehr gelungen. Omensight bietet eine wunderschöne Spielwelt mit tollen Effekten und viel Atmosphäre. Der Stil ist einzigartig und mysteriös.
  • Musik: Sehr angenehm und an den richtigen Stellen eingesetzt, um Szenen ansprechend zu begleiten.
ProContra
+ Wunderschöne Spielwelt mit viel Atmosphäre– Framerateeinbrüche
+ Tolles Konzept & gelungene Ermittlung– Selten Bugs, die Neuladen fordern
+ Außergewöhnliches Schwierigkeitsgradskonzept– Kampfsystem in manchen Situationen hakelig
+ Rasante und anspruchsvolle Kämpfe, abwechslungsreiche Bosskämpfe– Wiederholungen gegen Ende grenzwertig, v.a. bei zusätzlichen Ermittlungen
+ Umfassende Charakterentwicklung– Schwächen bei der automatischen Kamerasteuerung
+ Vorspulen bei Abschnittswiederholungen
+ Gelungener Soundtrack

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Manuel Eichhorn
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